Ich bin schon eine Weile wach. Heute soll es endlich zum Kap gehen. An diesem Punkt ist man im Westen und im Süden vom Atlantik umgeben. Die ersten Pilger packen zusammen. Die Plastiktüten rascheln. Wann klingelt denn endlich mein Wecker? Um 6:45 Uhr ist es endlich soweit. Eher wollte ich nun auch nicht aus dem Bett. Ich schleiche mich eine Etage tiefer an den noch schlafenden Pilgern vorbei. Nach dem Zähneputzen packe ich meine Sachen zusammen. Dabei bemühe ich mich, niemanden zu wecken.

Draußen vor der Herberge frühstücke ich zwei Kekse. Etwas gestärkt starte ich um 7:30 Uhr zum Cabo Fisterra. Ich habe mal wieder Probleme, den richtigen Weg aus der Stadt zu finden. An der Küste zu fahren war wohl keine gute Idee. Sackgasse... Also zurück zur Straße und den Anstieg hinauf. An der Kreuzung ist dann das Kap („Cabo Fisterra“) links ausgeschildert. Es geht nun etwa 3 km kontinuierlich aufwärts. Von flach kann man nicht gerade sprechen. Vielleicht, wenn man mit dem Auto zum Kap fährt... aber nicht mit einem bepackten Fahrrad.

Am Kap bin ich nicht alleine. Ein weiterer Pilger ist bereits dort. Ich denke, ich habe ihn am Abend zuvor in der Herberge gesehen. Vielleicht haben wir sogar in einem Zimmer geschlafen. Ich bitte ihn, ein Foto von mir zu machen. Die Sonne geht gerade in schönen Farben auf. Daher lasse ich mich gegen die Sonne fotografieren. Da ich mir nicht sicher bin, ob es geklappt hat (ich habe kein Klickgeräusch wahrgenommen) bitte ich ihn, noch ein zweites Foto zu machen. Ein Besuch am Cabo Fisterra und kein Beweisfoto möchte ich mir nicht erträumen...

am Kap Fisterra

Auf der Abfahrt zurück nach Fisterra fülle ich meine Flaschen an dem Brunnen, welchen ich bereits beim Hinauffahren passiert habe. Hinter Fisterra geht es auf und ab. Die Strecke kenne ich ja schon von gestern. In einem Ort liegt am Straßenrand ein Hund. Ich denke schon, er wurde angefahren. Beim näheren Hinsehen bemerke ich aber, dass er schläft. Der ist ja mutig! Ich muss immer mal anhalten und etwas trinken. Die Kräfte sind heute noch nicht da. Ich schaffe es mit Mühe und einigen Trinkpausen bis Corcubión. Dort gibt es erst einmal Frühstück. Es ist das erste Mal, dass ich bei der Kellnerin eine zweite Portion Toast bestelle. Zwei Scheiben reichen mir heute nicht aus. Gegen 10 Uhr geht es weiter - und wie gut. Die Beine wollen nun auch gefordert werden. 105 km liegen vor mir. Auf geht’s!

Es ist recht mild. Da es heute früh noch geregnet hat, ist die Luft feucht. Ich fahre auf der C-552 und werde diese heute auch nicht mehr verlassen. In Baio mache ich Lunch mit einem leckeren Bocadillo Francés und einem Zumo de Naranja (O-Saft) NATURAL! Dieser Ort erinnert mich ein wenig an Astorga, wo ich mein T-Shirt gekauft habe. Ich denke, es liegt an den Straßen, die etwas Ähnlichkeit haben. Es ist bereits 12:30 Uhr. Ich denke, ich liege ganz gut in der Zeit. 60 km sind noch zu fahren. Während ich im Café sitze, gießt es draußen. Der Schauer ist kurze Zeit später beendet.

Gestärkt geht es weiter. Unterwegs sehe ich erneut einen schlafenden Hund direkt am Straßenrand. Dass die Hunde keine Angst haben, überfahren zu werden. Es fängt schon wieder an zu regnen. Eine Bushaltestelle ist in Sicht. Ich trete etwas kraftvoller in die Pedale und erreiche die Haltestelle fast noch trocken. Nun geht der Schauer erst richtig los. Glück gehabt! Nach ein paar Minuten trockener Weiterfahrt beginnt der nächste Schauer. Erst regnet es ganz leicht und ich ziehe mir meine Regenjacke über. Plötzlich gießt es. Aber auch jetzt habe ich Glück - eine Haltestelle ist in Sicht. Als ich mich dieses Mal unterstelle, bin ich leider schon nass. Aber besser als mit den klebrigen Sachen weiterzufahren. Nach 10 Minuten zeigt sich keine Besserung. Die dunklen Wolken nehmen keine Ende. Ich entscheide mich, gegenüber in das Café zu gehen und mich aufzuwärmen. Gedacht, getan... Es gibt Kaffee und Toast. Es regnet immer noch.

Als der Regen aufhört, starte ich die letzten 25 km. Immer wieder geht es auf und ab. Unter der Regenjacke scheine ich zu verbrennen. So fühlt es sich zumindest an. Daher mache ich etwa 6 km vor A Coruña eine Pause und wechsle meine Wäsche. Gegen 17:30 Uhr erreiche ich schließlich die Stadt. Es herrscht um diese Zeit sehr viel Verkehr. Die mehrspurige Straße, die mich an eine deutsche Autobahn erinnert, macht mir Angst. Ich konzentriere mich sehr stark auf den Verkehr. Einige Autos stehen auch noch auf „meinem“ Standstreifen, so dass ich sehr aufpassen muss, wenn ich diese überholen möchte. Ich fahre in Richtung Zentrum. Hoffentlich finde ich dort eine günstige Unterkunft. Nachdem ich mich in einigen Straßen im Zentrum erfolglos nach einer Pension o.ä. umgesehen habe, frage ich in einem Uhrengeschäft nach. In der Parallelstraße soll es ein kleines Hostal geben. Nach einer Pension brauche ich in der Nähe gar nicht erst suchen. Ich gebe dem Uhrmacher zu verstehen, dass das Hostal bestimmt teuer ist. Gibt es vielleicht eine Alternative? Ich sollte einfach mal nach dem Preis fragen. Das mache ich nun auch. Ein Einzelzimmer soll 23 Euro kosten. Ich gebe zu verstehen, dass es für mich als Pilger viel Geld ist. Als ich nach einem anderen Hostal in der Gegend frage, bekomme ich eine Visitenkarte in die Hand gedrückt. Mir wird sogar der Weg beschrieben. Nach dem Preis müsste ich dort fragen. Dieser kann mir hier nicht mitgeteilt werden. Ich mache mich erneut auf den Weg. Das Hostal ist mit einem großen Schild „HOSTAL“ gekennzeichnet und somit nicht schwer zu finden. In diesem Hostal werde ich unfreundlich empfangen. Als ich nach dem Preis frage, fällt mir fast die Kinnlade runter. 30 Euro für ein Einzelzimmer, und das in diesem schäbigen Gebäude. Als wenn der Herr nicht verstanden hat, dass ich nur eine Information wünsche, reicht er mir den Zimmerschlüssel. Ganz schön frech! Schnell verlasse ich das Haus und fahre zurück zu dem netten Barkeeper. Er bringt sofort mein Fahrrad in den hinterliegenden Garten und zeigt mir mein Zimmer. Es ist zwar klein, aber super! Ein eigenes Bad habe ich auch. Sogar Fernseher und Telefon auf dem Zimmer, was ich natürlich nicht brauche. Ich möchte nur noch was zu essen kaufen, duschen und ins Bett. Der Barkeeper erklärt mir auf dem geschenkten Stadtplan den Weg ins Zentrum. Dort kaufe ich mein Dinner ein.

Zurück im Hostal schaue ich mir die Route für morgen an und esse nebenbei das Eingekaufte. Nach ein bisschen Tagebuch schreiben und duschen liege ich gegen 21:15 Uhr im Bett.

Mal sehen, wie lange meine Beine und der Körper noch mitmachen. Mich wundert es, dass ich dieses Jahr, obwohl die Strecke sehr bergig ist, keine Probleme mit den Kniegelenken habe. Hoffentlich bleibt das auch so. Ich möchte doch so gerne bis nach Bilbao mit dem Rad fahren. Nach den Planungen muss ich jeden Tag um die 100 km fahren. Ich wünschte mir, dass die Berge endlich ein Ende haben und die Straßen eben werden. Aber das ist wohl ein Traum. Ein schöner Traum...